Kreisbauernverband Fulda-Hünfeld

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Mit der Land­wirt­schaft aufwachsen

Hessens erste Bauernhof-Kita auf dem Ritzelshof

Wie kann ich auf meinem Betrieb leerstehende Gebäude mit Leben füllen und gleichzeitig Öffentlichkeitsarbeit für die Landwirtschaft machen? Diese Frage haben Lena Hennig und Andreas Baumgarten vom Ritzelshof in Ebersburg-Ried im Landkreis Fulda auf besondere Weise beantwortet. Seit März 2022 gibt es dort eine Bauernhof-Kita. Es ist nach aktuellem Stand die erste ihrer Art in Hessen. Träger ist die Gemeinde Ebersburg.

Die Bauernhof-Kita in Ried verbindet mehrere Aspekte gleichermaßen: Zum einen können Lena Hennig und Andreas Baumgarten auf dem Ritzelshof ein leerstehendes Gebäude wieder mit Leben füllen, zum anderen – und das ist ihr Hauptanliegen – erleben die Kita-Kinder das Leben in der Natur und mit der Landwirtschaft hautnah und selbstverständlich mit. Das hat auch Brigitte Kram (CDU), Bürgermeisterin von Ebersburg, von dem Projekt „Bauernhof-Kita“ überzeugt. „Wir waren sowieso auf der Suche nach einem geeigneten Standort für einen Natur- und Waldkindergarten in unserer Gemeinde“, sagte sie. Der Ritzelshof sei einer der möglichen Standorte gewesen und habe den Zuschlag erhalten.

Insgesamt rund freie 20 Plätze

Der Weg von der Idee zur Verwirklichung des Projekts war kurz. Ende 2020 stellte das Paar Hennig-Baumgarten seinen Plan bei der Gemeinde vor, im Frühjahr 2021 begannen die Planungen – und bereits im März 2022 startete für die ersten vier Kinder das Kindergartenjahr auf dem Ritzelshof. Insgesamt sind an die 20 Plätze frei. Die Anmeldungen laufen. Das alte Häuschen, in dem die Kita heute untergebracht ist, sei früher Wohnstätte für unverheiratete Tanten gewesen, erzählt Andreas Baumgarten. Für die Kita wurden das Dach sowie die Innenräume im Erdgeschoss saniert, letzteres dient als Aufenthaltsort bei schlechtem Wetter und zum Aufwärmen. Hier sieht es aus wie in Astrid Lindgrens Bullerbü-Büchern. Die meiste Zeit sind die Kinder aber draußen an der frischen Luft mit den Erzieherinnen, die bei der Gemeinde angestellt sind. Da werden Feld-Tage geplant, auf Erdhaufen geklettert, beim Gärtnern geholfen oder auch der Schweinestall besucht.

„Eine wichtige Frage als Betrieb ist: Wie kann ich Öffentlichkeitsarbeit machen, wenn die Landwirtschaft immer mehr aus der Mitte der Gesellschaft verschwindet und an den Ortsrändern angesiedelt ist“, sagte Lena Hennig, die sich im Main-Kinzig-Kreis unter anderem für das Projekt „Bauernhof als Klassenzimmer“ engagiert, zu den Beweggründen.

Kontakt zur Landwirtschaft ist nicht selbstverständlich

Bürgermeisterin Kram begrüßt das Engagement auf dem Ritzelshof. „Kinder haben heute nicht mehr automatisch Berührungspunkte mit Natur und Landwirtschaft so wie das früher war. Das Wissen um natürliche Kreisläufe geht dadurch verloren. Mit der Bauernhof-Kita möchten wir dieser Bewegung entgegenwirken und das muss bei den Kleinsten anfangen“, sagt sie. Und so kommen die Kita-Kinder mit Pflanzen, Boden, Wasser in Berührung, machen eigene Erfahrungen rund um Natur und Landwirtschaft und deren Zusammenspiel. Das ist auch Lena Hennig und Andreas Baumgarten in eigener Sache wichtig. Ihr dreijähriger Sohn Ole besucht ebenfalls die Kita.

Wer Ähnliches vorhat wie Lena Hennig und Andreas Baumgarten, der muss sich auch mit dem Thema Bürokratie auseinandersetzen. Die Fläche auf der die Kinder toben und spielen, muss einen entsprechenden Schutz für deren Sicherheit leisten. Selbiges gilt für das Gebäude. Sanitäranlagen müssen bedacht werden, Vertreter der Fachaufsicht und Beratung für Kindergärten, von Gesundheits- und Veterinäramt sowie der Unfallkasse schauen sich die Lokalität an und teilen mit, welche Vorschriften und Maßnahmen einzuhalten sind. Es bedarf außerdem eines Konzepts für die Verpflegung. Die wichtigste Frage sei jedoch die Trägerschaft, berichtete die Bürgermeisterin. Hierbei kämen eine Elterninitiative oder – wie in Ebersburg – die Gemeinde in Betracht. Erzieherinnen mit dem passenden Wissen zum Thema Natur, Garten und Landwirtschaft brauche es zudem. Rettungswege, Absturzsicherungen und Rückzugsräume müssten mitgedacht, bauliche Auflagen erfüllt, der Bedarf für eine solche Kindertagesstätte in Elternumfragen ermittelt sowie ein pädagogisches Konzept erstellt werden.

Von September 2021 bis März 2022 wurde auf dem Ritzelshof gebaut und saniert. Der 1. März sei ein wichtiges Datum für den Kita-Start gewesen, sagte die Bürgermeisterin – Stichwort Fördermittel. Bei allen baulichen und bürokratischen Fragen sei aber noch eine andere Frage von zentraler Bedeutung, finden Lena Hennig und Andreas Baumgarten: „Man muss sich fragen, wollen wir das? Wollen wir diese Öffentlichkeit, diese Fluktuation auf unserem Hof?“ Das Paar hat „Ja“ zu dieser Aufgabe gesagt –und Regeln für die Koexistenz von landwirtschaftlichem Betrieb und Kita aufgestellt, an die sich Eltern und Kita-Ablauf halten müssen. Das sei auch eine Frage der Sicherheit für beide Seiten, denn der Kita-Betrieb dürfe die landwirtschaftlichen Abläufe nicht einschränken. Andreas Baumgarten bekräftigt das Ziel hinter ihren Bemühungen: „Wir wollen, dass Kinder in der Natur groß werden, mit Wetter, Boden und Pflanzen in Kontakt kommen, sehen, woher die Möhre kommt und das Brot auf dem Teller. Landwirtschaft soll wieder bewusst als Teil der Gesellschaft wahrgenommen werden.“ Dieses Bestreben unterstützt der örtliche Kreisbauernverband Fulda-Hünfeld (KBV). Zum Start der Bauernhof-Kita überreichte KBV-Geschäftsführer Sebastian Schramm als Spende einen realitätsgetreuen Spielzeug-Bauernhof aus Holz.